von Achim Goerres
Heidenau liegt genau in dem Wahlkreis, in dem rechte Parteien außerordentlich gut abschneiden. Mobilisierung von rechten Sympathisanten und die Äußerung fremdenfeindlicher Meinungen sind in solchen Konstellation besonders einfach.
In Heidenau wurde es am 27.08.2015 verboten, öffentliche Versammlungen abzuhalten. Damit regierte die lokale Behörde auf die gewalttätigen Krawalle, bei denen Rechtsextreme zu Hunderten vor dem Erstauffanglager randaliert hatten und 30 Polizisten verletzt hatten. Es herrschte Ausnahmezustand. Am 28.08.2015 wurde das Verbot von einem Dresdner Gericht wieder aufgehoben.
Die Krawalle waren am zweiten Tag aus einer Demonstration entstanden, die der NPD-Stadtrat Rico Rentzsch für den 20.08.2015 angemeldet hatte.
Die schrecklichen Geschehnisse in Heidenau erinnerten mich an eine Analyse der Wahlergebnisse der NPD und der AfD in Sachsen bei der Landtagswahl. Darin habe ich gezeigt, dass die AfD und NPD in den gleichen Wahlkreisen in der Tendenz besser abschneiden.
Heidenau liegt im Wahlkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge 3.
Dort wurden 8,7 % der Listenstimmen der NPD und 11,0 % der AfD gegeben. Damit haben fast ein Fünftel aller Wählerinnen und Wähler einer nationalkonservativen bis rechtsextremen Partei ihre Stimme gegeben.
Dieser Wahlkreis hatte das drittbeste Ergebnis für die NPD aus 60 sächsischen Wahlkreisen und immerhin noch das 16beste Ergebnis für die AfD.
Dieser Hintergrund ist bezüglich der Krawalle vermutlich aufgrund von zwei Kausalketten wichtig:
- Die NPD kann einfacher lokal Protestierende mobilisieren, wenn sie relativ viele Wählerinnen und Wähler hat.
- In diesem Wahlkreis ist es einfacher fremdenfeindliche Meinungen zu äußern, weil man aufgrund der Wahlergebnisse sicher sein kann, ähnliche Meinungen um sich zu haben, als in Wahlkreisen, in denen rechte Parteien sehr wenig gewählt werden. Der Effekt sozialer Erwünschtheit (man sollte keine fremdenfeindlichen Parolen äußern) wird hier minimiert.
So traurig es auch ist:
dass eine Kundgebung eskalierte und gewalttätig, massiv und fremdenfeindlich wurde, konnte man in einem sozial-politischen Kontext wie Heidenau am ehesten erwarten.
Nachrichten aus den folgenden Quellen:
http://www.dw.com/en/german-court-overrules-heidenau-demo-ban/a-18678835
http://www.sueddeutsche.de/politik/heidenau-los-schimpfen-sie-auf-die-boesen-ossis-1.2623298
Interessanter Beitrag – vielleicht hätte aber auch genau ein gegenteiliger Zusammenhang zwischen NPD-Stimmenanteil und letzenendes fremdenfeindlicher Gewalt/Krawalle erwartet werden können.
Zumindest dann, wenn auf die kleinräumigeren Gegebenheiten von Gemeinden der von Koopmans (Koopmans R. 1996. Explaining the rise of racist and extreme right violence in Western Europe: grievances or opportunities. Eur. J. Polit. Res. 30:185–216) aus inter-national vergleichender Perspektive für den Zeitraum 86-94 festgehaltene Befund übertragen wird, demnach in Deutschland (und in einigen anderen Ländern) Wahlerfolge rechtsextremistischer Parteien nicht notwendigerweise mit einem Mehr an ausländerfeindlicher Gewalt einhergehen.
Hintergrundannahme aus dem Bereich Political Opportunity Structures, stark vereinfacht: Üben rechtsextreme Parteien parlamentarischen Einfluss, können ihre Anhänger auf Gewalthandlungen zur Durchsetzung ihrer Ziele eher verzichten.
Dancygier findet für das UK (Dancygier R. 2010. Immigration and Conflict in Europe. New York: Cambridge Univ. Press) übrigens auf Ebene von Städten wiederum sehr wohl einen Zusammenhang zwischen relativ höheren BNP-Stimmenanteilen und fremdenfeindlicher Gewalt…